Arzt haftet nicht, wenn ein Patient vor der ausführlichen Aufklärung unerwartet die Klinik verlässt

Von Ärzten wird erwartet, dass sie Symptome ernsthafter Erkrankungen erkennen und einschätzen können, ob Lebensgefahr besteht. Stellt ein Arzt bei einer Untersuchung einen solchen Zustand fest, ist er verpflichtet, seinen Patienten unverzüglich über die bestehende Gefahr aufzuklären. Empfiehlt der Arzt einen stationären Klinikaufenthalt, muss er darüber aufklären, welche Gefahren drohen, wenn der Patient nicht im Krankenhaus bleiben will. Er kann den Patienten nicht davon abhalten, eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen. Er muss ihm allerdings die möglichen Folgen seines Verhaltens vor Augen führen.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat am 24.01.2017 zum Aktenzeichen 8 U 119/15 als Berufungsgericht ein Urteil verkündet und zwei Klinikärzte sowie die Klinikbetreiberin von dem Vorwurf entlastet, eine Patientin nicht genügend aufgeklärt zu haben.

Untersuchung ergab keine alarmierenden Befunde

Wegen Schmerzen hatte die 1944 geborene Frau mit ihrem Ehemann die Notaufnahme der betroffenen Klinik aufgesucht. Beide befürchteten einen Herzinfarkt. Bei der ersten ärztlichen Untersuchung stellte der Allgemeinmediziner keine akuten Anzeichen für einen lebensbedrohenden Infarkt oder andere lebensbedrohende Krankheiten fest. Ein EKG ergab keine Befunde. Die Patientin und ihr Ehemann suchten daraufhin doch noch den Kardiologen auf, der ebenfalls keine bedenklichen Zeichen für einen Herzinfarkt feststellte, der Patientin aber ein Krankenbett für die Nacht und weitere, reguläre Untersuchungen am nächsten Tag anbot. Die Patientin lehnte es ab, im Krankenhaus zu bleiben. Der Arzt empfahl, noch einmal darüber zu beraten und entfernte sich kurz aus dem Zimmer. Als er zurückkehrte, waren Patientin, Ehemann und alle Unterlagen weg. Die Frau verstarb in der folgenden Nacht in ihrer häuslichen Umgebung.

Auf eventuelle Lebensgefahr wurde nicht hingewiesen

Der Ehemann verlangte vom Krankenhausbetreiber und von den beiden beteiligten Ärzten Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen entgangener Unterhaltsleistung, sowie Ausgleich der durch das Verfahren ausgelösten Kosten. Er verklagte die beiden beteiligten Ärzte und die Krankenhausbetreibergesellschaft. Der Klinik und den Ärzten warf er vor, niemand habe seiner Frau mit hinreichender Deutlichkeit gesagt, dass sie das Risiko, zu sterben, auf sich nähme, wenn sie das Krankenhaus aus eigenem Entschluss verlassen würde. Unstreitig ist ein Hinweis darauf, dass der bei der Patientin festgestellte Gesundheitszustand lebensgefährlich sei, nicht gegeben worden. Unstreitig ist auch, dass das Gespräch zwischen dem Kardiologen und der Patientin kurz war. Es wurde nicht nachgewiesen, dass die Patientin an einem Herzinfarkt oder an einem zweiten Herzinfarkt gestorben ist. Ein Gutachten der Hausärztin spricht dagegen.

OLG geht davon aus, dass Aufklärung durch eigenmächtiges Handeln verhindert wurde
Arzt musste mit dem Verhalten der Patientin nicht rechnen

In erster Instanz gab das Landgericht Frankfurt am Main der Klage statt. In der Berufungsinstanz führte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main aus, dass ein Arzt in einer Klinik nicht ständig damit rechnen muss, dass sich Patienten, die sich zuvor an ihn gewandt haben, sich kurzfristig entfernen. Die Richter weisen darauf hin, dass die Aufklärungspflicht des Arztes tatsächlich auch etwaige ernsthafte Folgen für Leben und Gesundheit umfasst, die sich ergeben können, wenn eine angebotene Behandlung abgelehnt wird. Im vorliegenden Fall war der Arzt jedoch davon ausgegangen, die Patientin nach wenigen Minuten Abwesenheit im Gespräch mit ihrem Ehemann vorzufinden. Er hatte nicht ernsthaft damit gerechnet, dass sie eine Behandlung ablehnen würde.