Eis und Schnee begründen keine persönlichen Umstände
Das Bürgerliche Gesetzbuch und das Arbeitsrecht regeln die Interessen der Arbeitnehmer. Das Lohnfortzahlungsgesetz bestimmt, dass Arbeitnehmer während der urlaubs- und krankheitsbedingten Abwesenheit vom Arbeitsplatz ein Recht auf Lohnfortzahlung haben. Wie sieht jedoch die Situation aus, wenn Arbeitnehmer in der kalten Jahreszeit wegen Schnee und Eis zu spät zur Arbeit kommen? Gemäß dem natürlichen Rechtsempfinden besteht auch in dieser Situation ein Anrecht der Arbeitnehmer auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitsgeber, denn schließlich sucht sich ja niemand diese Wetterumstände aus. Das natürliche Rechtsempfinden und die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzesbuches vertreten in diesem Fall jedoch zwei unterschiedliche Auffassungen.
Dieses Wetter sucht sich schließlich niemand aus
Gemäß § 616 BGB formuliert im ziemlich umständlichen Juristendeutsch, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber dann besteht, wenn er dem Arbeitsplatz aus Gründen fern bleibt, die in seiner eigenen Person liegen. Es müssen also persönliche Umstände vorliegen. Kommt der Arbeitnehmer aufgrund von Umständen zu spät zur Arbeit, die er persönlich, jedoch unverschuldet zu vertreten hat, besteht der Anspruch auf Lohnfortzahlung weiter. Der juristische Laie freut sich jetzt natürlich, denn für Schnee und Eis ist ja schließlich niemand verantwortlich, da man sich dieses Wetter genauso wenig aussucht wie eine Krankheit. Allerdings kennt das Bürgerliche Gesetzbuch in dieser Hinsicht einige Einschränkungen, ganz so einfach ist die Ausgangslage also doch nicht.
Wie so häufig muss die Fachsprache der Juristen richtig gedeutet werden und auf die kleinsten Feinheiten heruntergebrochen werden. Entscheidend ist die Formulierung „unverschuldete persönliche Umstände“. Zu diesen Umständen gehören zum Beispiel familiäre Anlässe wie Hochzeiten, Geburten und Todesfälle. Auch krankheitsbedingte Notfälle Angehöriger werden unter Umständen anerkannt. Persönliche Unglücksfälle wie unverschuldete Verkehrsunfälle werden durch diesen Paragrafen gleichfalls abgedeckt. Wichtig in diesem Fall ist jedoch, dass der Arbeitnehmer persönlich von dem Unfall betroffen ist. Auf Unfälle fremder Personen, die zum Beispiel einen Stau mit großem Zeitverlust verursachen, können sich Arbeitnehmer dagegen nicht berufen, da in diesem Fall keine persönlichen Umstände vorliegen.
Das Fehlen persönlicher Umstände liegt auch bei Schnee und Eis vor. In diesem Fall ist eine große Anzahl von Menschen betroffen. Gemäß § 616 BGB ist der Arbeitgeber jedoch nur dazu verpflichtet, die persönlichen Risiken der Arbeitnehmer zu übernehmen, nicht jedoch die Risiken von Situationen, durch die eine Vielzahl Beschäftigter betroffen ist. Der Arbeitnehmer trägt demzufolge auch bei Eis und Schnee das Risiko, rechtzeitig am Arbeitsplatz zu erscheinen. Die Situationen unpassierbarer, vereister und verschneiter Straßen fällt unter das Wegrisiko, das den Arbeitnehmer, nicht jedoch den Arbeitgeber trifft. Bei erkennbaren Risiken ist es für die Beschäftigen zumutbar, sich auf diese Situation einzustellen und entsprechende Maßnahmen zu treffen.
Betroffene sollten sich früher als sonst auf den Weg zur Arbeit machen oder alternative Möglichkeiten wie öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Selbst wenn der öffentliche Nahverkehr nicht mehr einsatzfähig ist, liegt das Wegerisiko immer noch bei dem Arbeitnehmer. Die meisten Arbeitgeber zeigen sich jedoch kulant, insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer frühzeitig über diese Situation informiert hat. Die fehlende Arbeitszeit kann zum Beispiel durch eine längere Arbeitszeit ausgeglichen werden. Bleibt diese Information aus und der Arbeitnehmer fehlt unentschuldigt, ist der Arbeitgeber berechtigt, eine Abmahnung auszusprechen.